Art. 2 EUV als Grundlage des Staaten- und Verfassungsverbundes der EU

| EUdentity 2019

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Előadó:
Mr. Peter M. Huber
Judge of the Federal Constitutional Court of Germany

I. Konkretisierungsbedürftigkeit

In Art. 2 EUV heißt es: Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.

Was Menschenwürde, Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit im Einzelnen gebieten, ist damit freilich noch nicht gesagt. Es handelt sich insoweit um offene, konkretisierungsbedürftige Begriffe. Hier setzen nun die intellektuellen und juristischen Spin-Doctores der autoritären Regierungen in Mittel- und Osteuropa an und wollen der freiheitlichen Demokratie die illiberale entgegensetzen oder die aus ihrer Sicht zu starke Stellung der Justiz im überkommenen Verständnis des Rechtsstaats beschneiden.

II. Der Prozess der Konkretisierung

Begriffe sind jedoch nicht nur Schall und Rauch, sondern definieren eine bestimmte Vorstellung von Wirklichkeit. Was nicht auf den Begriff gebracht werden kann, sagt Hegel, existiert nicht. Dass ein Rechtsbegriff unbestimmt ist, bedeutet nicht, dass er inhaltsleer oder sein Inhalt beliebig ausdeutbar wäre.

Es ist Sache der in und für eine Rechtsordnung zuständigen Stellen, die inhaltliche Offenheit von Begriffen zu vermeiden, sie zu reduzieren und sie einem gesicherten Verständnis zuzuführen. Das beginnt mit dem Verfassungsgeber, auf EU-Ebene dem Vertragsgeber, setzt sich über den Gesetzgeber als Erstinterpreten fort und endet bei der Justiz als Letztinterpretin. Diese kann über den Inhalt der Begriffe freilich nicht verfügen, sondern ist – auf EU-Ebene wie im nationalen Kontext – an die vorgegebenen Zuständigkeiten und Verfahren ebenso gebunden wie an das – methodisch zu erschließende – materielle Recht. Sie ist dabei nicht nur in einen Instanzenzug und einen Rechtsprechungs- und Verfassungsgerichtsverbund eingebunden, sondern unterliegt auch der Rationalitätskontrolle der Rechtswissenschaft, die insoweit die „Oberaufsicht des Publikums“ ergänzt oder ersetzt. Dieser Konkretisierungsprozess kann – wie das Beispiel des Gefahrenbegriffs in § 10 II 17 ALR 1794 zeigt – mitunter fast ein Jahrhundert dauern,[1] es geht aber auch schneller.

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[1] PrOVG, Urt. v. 14. Juni 1882, PrOVGE 9, 353 ff.